Ganz kurzfristig entstand der Plan, gemeinsam mit Paola nach el Salvador zu fahren. Zunächst hatte ich dieses kleine, an Guatemala angrenzende Land am Pazifik gar nicht auf dem Schirm. Weitere Recherchen ergaben: man kann an herrlichen Stränden toll surfen, es gibt super Essen, neben dem Dollar noch den guten, alten Bitcoint und das Wetter soll hier super sein. Na da spricht doch nichts gegen einen Kurztrip. Gesagt getan. Und nun baumeln wir hier in Hängematten, lassen uns herrlich bekochen (der Fisch kommt aus dem Meer direkt auf den Teller), nehmen Surfunterricht (wobei wir häufiger durchs Meer wirbeln als tatsächlich auf dem Brett zu stehen) und erkunden mit unserer Klischee-Surferhostfamilie die Gegend. So wurden wir einfach zum Wocheneinkauf mitgenommen (Fischmarkt und danach ab in den Supermarkt) und bekamen eine Führung durch San Salvador aus dem Auto heraus. Kurze Zeit darauf gab es Coffee with a view. Von einem inaktiven Vulkan aus bestaunten wir San Salvador aus 1700m Höhe und konnten bis hin zu einem anderen Vulkan und seinem türkisenen Bergsee schauen. Hab ich schon erwähnt, was für ein herrliches Land El Salvador ist? Palmen, Strand, Dschungel, trubelige oder ganz ruhige Städte.. Für jeden Geschmack ist hier was zu finden. Aber wenn man El Salvador, oder eben die Gegend um La Libertad besucht kommt man kaum umhin surfen zu gehen. Von klein auf stehen die Kinder hier bereits auf den Brettern und sausen durchs Meer. Es gibt genau so viele Surfläden wie Straßenrestaurants, die eifrig die superleckeren Poupusas zubereiten. (Mais) Tortillas gefüllt mit Bohnen, Käse, Jalapeños, Fleisch.. Achtung, Suchtgefahr!
Unseren Surferhosts reicht das Surfen nicht.. Sie versuchten sich auch am Surfskaten auf der Straße. Klappt bei ihnen super. Bei mir sieht das deutlich weniger elegant aus. Aber macht Spaß, genau wir das Surfen. Lediglich die Wellen sind super hoch und wirbeln einen hin und her. Ein tolles Gefühl, sobald man von ganz alleine auf der Welle gleitet und Richtung Ufer saust. Aber oft genug schlagen wir ungewollt Purzelbäume unter Wasser und bekommen beinahe das Brett an den Kopf, während wir die letzte Piruette unter Wasser vollenden. Naja. Gehört dazu. Elegant und adrett aussehen muss man dann eben woanders. Blaue Flecken (oh ja.. die haben wir..) werden hier folgendermaßen betitelt: „Another Stripe for the Tiger“. Unser Hostel liegt direkt am Strand und wir gehen mit dem Rauschen der Wellen ins Bett, erwachen vom Rauschen der Wellen (und von einem der vielen Hähne) und verbringen auch so viel Zeit am Strand, indem wir die Dorfjugend beim Wellenreiten bewundern oder mit einem Bier in der Hand den herrlichen Sonnenuntergang bestaunen. Und während wir so verträumt auf die Wellen und den sich verfärbenden Himmel schauen, gluckt neben uns ein Huhn. Ah da steht unser Surferfreund und genießt den romantischen Anblick mit einem Huhn im Arm. Warum auch nicht. Hühner streicheln hat etwas sehr beruhigenses an sich, wie ich gerne aus erster Hsnd berichten möchte. Würden die Menschen mehr Hühner streicheln, gäbe es weniger Kriege, Proteste, schlechte Laune.. Pfff Therapiepferde, Therapiehunde.. Ich sage: her mit dem Therapiehuhn!
Hier, im Pelikan Surf Hostel leben mehr Tiere als Menschen. Die Familie besteht aus Ulysses Senior, Surflehrer, seiner Frau Ana, tolle Köchin und super sympathische Frau, ihrem Sohn, Ulysses Junior, Anas kleinen Bruder Alvaro, und der Onkel von Ulysses. Und alle verkörpern sie das Klischee, das man von Surfern hat. Oder anders gesagt: welches ich hatte: lange Haare und Bart, Tatoos, sonnengebräunt, Marihuana, Haifischzahnkette und ein ständiges Grinsen im Gesicht und ein Surfbrett im Arm. Hier lebt die Familie mit einem Haufen Vierbeiner als Mitbewohner. Viele Katzen und Katzenbabys tummeln sich im Außen-Wohnbereich, verschiedene (teilweise hochschwangere) Hunde suchen ständig nach Streicheleinheiten und ein winziges Kaninchen hoppelt ab und an mal durch die Gegend. Nicht zu vergessen die Hühner, die hier gehetzt und geknuddelt werden wie Haustiere. Abends sitzen alle Hühner auf den Dachgiebeln und beim Hinaufsteigen der kleinen Holztreppe befürchtet man beinahe, dass einem ein Ei auf dem Kopf landet. Unbedingt erwähnt werden sollte hier noch die Dusche. Sie befindet sich mitten im Wohnbereich und besteht nur aus einem Vorhang und einem Wassehahn. So ist sie vom oberen Stockwerk aus gut einsehbar. Und während man sich schnell abduscht gehen Restaurantgäste ein und aus, die Hunde geraten in einen Kampf und ein aufgescheuchtes Huhn rast einmal quer durch die Dusche. Aber hier kümmert es einfach keinen. Und genau dieser Charme macht diesen Ort aus. Man kommt als Gast und geht als Familienmitglied. Das ist toll. Und spontane Ideen passen einfach hier her. Da sitzt man gemütlich beim Kaffee und plant die nächste Surfstunde und plötzlich sagt Ulysses: wir könnten auch auf eine einsame Insel fahren und da surfen, übernachten und Schildkröten sehen. Hm. Ok, das klingt nach ner netten Idee. Also packen wir unsere Sachen und sitzen zu viert (mit Parcel, einem Freund von Ulysses) im Auto auf dem Weg.. na zu der Insel zwei Autostunden von San Salvador entfernt. Nachdem wir eine Weile mit typischer Musik aus San Salvador und Kokosnusswasser aus der Tüte durch die Gegend gefahren waren, erreichten wir einen Eingang zum Fluss. Doch die Uhren ticken in Zentralamerika anders. So warteten wir eine ganze Weile (bei gutem Essen und mit einem kleinen Papagei) bis wir mit Sack und Pack ein kleines Boot besteigen und kurze Zeit später unsere Insel betreten konnten. Auf dem Weg dorthin durchquerten wir kleine Mangrovenwälder und sahen Pelikane und viele weitere Vögel. Die aufregenden Palmen verliehen allem eine paradiesische Stimmung. Die Insel Monte Christo hat die Form einer Cashew. Witzigerweise werden hier auch Cashews angebaut. Zwischen Februar und Mai können sie geerntet werden. Unser Nachtlager befand sich genau zwischen dem wilden Pazifik und dem Fluss Rio Lempa. In den sprangen wir direkt hinein und flüchteten erst, als uns die Fische doch tatsächlich in den Po zwickten. Und auf dem Stückchen Land befand sich eine Schildkröteneierstation, eine kleine Bambushütte für die Männer der Gemeinde und eine überdachte Hütte, in der wir Hängematten aufspannten und ein Zelt aufstellten. Es gab noch eine kleine Feuerstelle aber sonst nicht mehr viel. Wer auf die Toilette muss, der geht zwischen die Mangroven.. 😉 Leider mussten wir schon bald feststellen, dass wir die Surfbretter ganz umsonst mitgeschleppt hatten. Die Wellen waren so hoch und das Meer tobte so wild, dass wir keinesfalls eine weitere Surfstunde nehmen konnten. Die letzte Stunde war schon mehr Bodenturnen unter Wasser als Wellenreiten gewesen und dort waren die Wellen weitaus weniger beängstigend. Und so liefen wir den einsamen Strand entlang und waren fasziniert von diesem wunderschönen Fleckchen Erde. Das Meer wehte Schaumkronen heran und diese flogen wie Zuckerwatte über den glitzernden, schwarzen Sandstrand. Kleine und große Krabben huschten zwischen ihren Löchern und unseren Füßen herum und tragen ein Schaumkrönchen. Die großen Treibholzstämme luden zum Ausruhen ein. Aber wenn man nicht aufpasst, weil man fasziniert versucht die kleinen Krabben zu fotografieren, sitzt man schnell mal im Wasser, da eine Welle weit hinauswollte. Macht nichts, in der Hitze trocknet jedes Kleidungsstück innerhalb kürzester Zeit. Es war superschön zu sehen, wie die Sonne hinter dem Baumfriedhof am Strand unterging und die Wellen meterhoch in die Luft schossen. Zum Abendessen fuhren wir mit Giovanni zu seiner Familie. Diese lebten an einem anderen Ende der Insel in einer großen Gemeinde. Als wir ankamen wurden grade Pupusas zubereitet. Da waren wir natürlich völlig im Glück. Bis wir wieder auf dem Heimweg waren war es stockdunkel und wir konnten den herrlichen Sternenhimmel und den leuchtenden Mond sehen, während wir sanft durch das Wasser glitten in Richtung Strand. Der Fluss, Rio Lempa, ist zur Regenzeit ein Süßwasserfluss. In der Trockenzeit allerdings wird er durch das Meer zu einem Süßwasserfluss. Später am Abend waren wir neugierig auf die Schildkröten und machten uns auf die Suche. Lange Zeit liefern wir am Strand entlang und freuten uns stattdessen über das funkelnde Meer und die flouriszierenden Wellen. Wahnsinn. Während über dem Meer Blitze aufleuchteten fanden wir tatsächlich eine Schildkröte. Riesig groß schob sie sich schnaufend über den Sand. Einer der Helfer hatte vorher ein Loch ausgehoben und setzte die strampelnde Schildkröte einfach darüber. Ne ganze Weile versuchte sie eine bequeme Position zu finden, während wir leise einige Meter entfernt saßen und sie beobachteten. Nach einer Weile hatte sie ihre Eier gelegt und wir durften tatsächlich ein Foto machen. Dann ließen wir sie alleine ins Meer zurückgehen. Das ganze Spektakel war super spannend zu sehen. Die vom Mond beleuchtete Schildkröte wird immer mal wieder von Blitzen am Himmel beleuchtet. Super schön. Am nächsten Morgen wurden wir früh von den Geräuschen des Meeres geweckt und konnten den Sonnenaufgang sehen und die Morgenstimmung auf unserer „Insel“ genießen. Der Nebel hing in den Mangroven und zwischen den Palmen, das Meer sprühte Schaum und ein paar Kühe spazierten durch die Gegend. Es klingt alles so traumhaft. War es auch. Wir waren tatsächlich alleine hier und durften dieses Abenteuer ganz untouristisch und mittendrin mit den Einheimischen genießen. Doch diese eine Sache lässt dieses Paradies gleich weniger paradiesisch wirken. Der Fluss, der Strand, die Straßen.. Überall sieht man Müll. Plastikflaschen, Coladosen, den Kopf einer Plastikbarbiepuppe.. Die Menschen werfen ihren Müll direkt auf den Boden, ins Wasser. Recycling ist hier ein Fremdwort und auch Mülltonnen gibt es zu wenige. So verschmutzen die Menschen ihr eigenes Land und rauben ihm dadurch ein Stück seines Zaubers.. Das hat uns sehr nachdenklich und traurig gemacht. Doch das Bewusstsein ist einfach nicht da. Wie Ulysses meinte: die Menschen hier haben andere Probleme als die Umweltverschmutzung..
Beim morgendlichen Kaffee am Lagerfeuer wurde eifrig diskutiert und überlegt, wie man dieses schöne Fleckchen Erde etwas aufpeppen und für den entspannten Tourismus öffnen könnte. Klar, schöne Plätze dürfen auch mal untouristisch sein, aber in dem Falle wäre eine Geldeinnahmequelle durch Touristen ein Gewinn für die recht arme Dorfgemeinde und für die Menschen, die weitere Stationen für die Schildkröteneier bauen möchten. Aktuell ist die Station bereits voll und so werden die Eier eingesammelt und verkauft. Das ist super traurig, da die Eier von einigen Menschen, zB. in Guatemala, gegessen werden (die Eier sollen die Potenz steigern und als Aphrodisiakum gelten). Aber natürlich brauchen die Menschen in dieser Gegend in El Salvador das Geld (durch die Coronakrise mehr denn je) und verkaufen somit alles, was sich zu Geld machen lässt. Auf dem Weg zurück stoppten wir bei einer Cashewfarm. Hier können im Februar bis Mai die superleckeren Cashews geerntet werden. Vor einigen Jahren hat dieses Stück Land einem Holländer gehört. Als jedoch in El Salvador der Bürgerkrieg ausbrach, er dauerte von 1980 bis 1991, ging er schnellstens zurück nach Holland. Und nach dem Krieg bekam die Gemeinde dieses Stück Land. Und dort fanden sie diese Cashewfarm. Und wir fanden auf der Cashewfarm nicht nur die Cashewbäume, sondern auch einen Kirschbaum mit feinen, etwas sauren, Kirschen. Anschließend schauten wir uns noch genau an, wo das Meer und der Fluss aufeinandertreffen. Dort trieben viele Pelikane entspannt im Wasser und der Fluss hatte plötzlich Wellen als zuvor. Da wurden wir ganz schön durchgeschaukelt auf unserem kleinen Holzboot. Und so schnell wie sie da war, war unsere Zeit in El Salvador auch schon wieder vorbei.. Und wie es halt so ist wurde uns die Ausreise schwerer gemacht als gedacht. Auf dem Weg zum Busbahnhof verfing sich Plastik im Reifen und wir mussten den Reifen wechseln. Und dabei waren wir da schon spät dran. Und so war unsere Ankunft am Bushanhof tatsächlich eine Punktlandung und wir erreichten entgegen aller Erwartungen noch unseren Bus. Nun verabschiede ich mich erstmal von Zentralamerika und freu mich auf eine schöne Zeit in Südamerika.. 🙂